Zum zwanzigsten Geburtstag des PEAC Museums erscheint der zweite Band unseres Sammlungskatalogs. Mit zahlreichen Bildern zeichnet er die Ausstellungs- und Sammlungsgeschichte des PEAC Museums von 2015-2024 nach.
Die ersten zehn Jahre, 2004 bis 2014, sind im ersten Band "Sammeln um zu sehen" nach zu lesen. Beide Bücher sind im PEAC Museum erhältlich, oder bestellbar über team@peac.digital für 35€ zzgl. Versandkosten.
„Du gehst einfach hin und sitzt und schaust. Es ist eine einfache Erfahrung. Man wird leichter und leichter und möchte nichts anderes mehr tun.“
Liebe Freunde der zeitgenössischen Kunst, liebe Freunde des PEAC-Museums, liebe Künstlerinnen und Künstler, sehr geehrter Bürgermeister von Kirchbach,
mit vorgenanntem Zitat der US-amerikanischen minimalistischen Künstlerin Agnes Martin, welches mein Vater geliebt und verinnerlicht hatte, möchte ich Sie alle recht herzlich zu unserer 20-jährigen Jubiläumsausstellung „zwischen weißen Wänden“ begrüßen.
Mein Vater hatte es sich 1961 wohl nicht träumen lassen, als er sein erstes Bild kaufte, eine Druckgrafik von Michael Mathias Prechtl, daß damit eine Sammelleidenschaft begann, und heute zu einem international anerkannten Ausstellungsraum für Minimal Art und Radical Painting geworden ist, dem PEAC-Museum. Gestatten Sie deshalb, diese Jubiläumsausstellung und auch meinen kleinen Blick zurück als „Hommage an Paul Ege“ zu widmen.
Der leider kürzlich verstorbene Philosoph Günter Figal bezeichnete das PEAC-Museum einmal als „Gasthaus der Kunst“ und sah in Paul Ege einen „Gastgeber“ mit einer „Geste des Zeigens“ und einer „freundlichen Aufforderung hinzuschauen“. Und zu sehen, gab es in den letzten 20 Jahren Vieles.
„Sammeln, um zu sehen“!
Dies war auch das Vorwort von Paul Ege zu dem letzten Jubiläumsband anläßlich des 10-jährigen Jubiläums des PEAC-Museums, damals noch als „Kunstraum Alexander Bürkle“ bekannt. Allein die damalige Bezeichnung unserer „Begegnungsstätte für zeitgenössische Kunst“ – Kunstraum Alexander Bürkle – bringt Charaktereigenschaften meines Vaters zum Vorschein wie: Bescheidenheit. Demut. Dankbarkeit. Er wollte nie als prominenter Sammler im Vordergrund stehen. Auch wenn er uns heute in Raum 1 quasi als erstes begrüßt und seine Augen uns auf unserem Rundgang scheinbar verfolgen.
Seine Sammelleidenschaft beschränkte sich in den Anfängen, den 60er und 70er Jahren, auf die eigenen vier Wände, allerdings ohne Rücksicht darauf zu nehmen, daß er diese Wände auch mit seiner Familie teilte. Die Kunstwerke waren damals eher düsterer Natur: Werner Knaupp, mit gefühltem schwarzem Kugelschreiber auf schwarzem Grund, morbide und unangenehm riechende Kissen von Gotthard Graupner und ausgequetschte Farbtuben von Jürgen Brodwolf. Für meinen Bruder und mich gewöhnungsbedürftig. Die einzigen Licht- und Farbblick waren damals Rupprecht Geiger und Victor Vasarely.
Die eigenen vier Wände wurden irgendwann zu klein. Da kam meinem Vater Anfang der 90er-Jahre die Idee, in den Kellerräumen des Unternehmens seinen ersten Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst einzurichten. In seiner vorhin erwähnten Bescheidenheit wollte er als Sammler mehr oder weniger anonym bleiben und benannte das Ganze schlicht als „Sammlung Roßkopf“. Dennoch war es ihm ein großes Anliegen, seine „Sicht auf die Kunst“ mit anderen interessierten Menschen zu teilen. „Den Dingen, die er liebte, ein Schaufenster zu geben“, wie es Volker Bauermeister unlängst beschrieb.
In dieser Zeit vollzog sich ein radikaler Wechsel seiner Sammelleidenschaft. Ausgelöst durch eine – offensichtlich mehr als gut verlaufene – Augenoperation muß er wohl Farben völlig neu gesehen und wahrgenommen haben. Darüber war er unendlich dankbar!
Die Monochrome Farbmalerei hatte ihn plötzlich fasziniert. Und meine Mutter auch! Galerien wie Luise Krohn in Badenweiler oder Hengesbach Gallery in Wuppertal, aber auch Annemarie Verna in Zürich und die Galerie nächst St. Stephan in Wien, um nur einige zu nennen, begleiteten meinen Vater und meine Mutter auf dem neuen Sammelweg. So entstanden Kontakte zu Künstlerinnen und Künstlern wie Marcia Hafif, Joseph Marioni, Phil Sims, oder Rudolf de Crignis, allesamt in der aktuellen Ausstellung vertreten.
Es kam – Sie ahnen es – wie es kommen mußte: auch diese Ausstellungsflächen waren bald zu klein und mein Vater mußte sich ein weiters Mal auf Ideensuche begeben. Den Ort hier im Industriegebiet Nord wollte er – in seiner Demut – nicht verlassen und so wurde das heutige Museum im Zuge einer notwendigen Betriebserweiterung einfach als Obergeschoß auf das Betriebsgebäude gesetzt. Die Außenhülle war dabei nicht so wichtig – Bescheidenheit! – dafür aber die Räume und das Innenleben.
Einsichten an Stelle von Ansichten.
Gemeinsam mit Rolf Hengesbach wurden die Räume und das Raumkonzept entwickelt und schließlich umgesetzt. Der Kunstraum Alexander Bürkle, das heutige PEAC-Museum, war geboren und wurde fast taggleich 2004 eröffnet. Die neuen Dimensionen erforderten schließlich auch eine professionelle Leitung und Betreuung. Während seiner Tätigkeit als Schatzmeister im Kunstverein Freiburg lernte er Julia Galandi-Pascual kennen und konnte sie als Kuratorin und Museumsleiterin gewinnen. Ein professioneller Museumsbetrieb nahm seinen Lauf mit spektakulären Ausstellungen wie:
Einknicken oder Kante zeigen?
Blind!Date
Allerbeste Aussichten
Blickwechsel
Auf der ganzen Linie!
Ansichtssache
…um nur einige zu nennen.
Während die Anfangsjahre finanziell auf dem Rücken des Unternehmens und damit auch leidvoll auf dem Rücken meines Bruders und mir ausgetragen wurden, konnten wir 2008 meinen Vater und meine Mutter dazu bewegen, eine Stiftung zu gründen und mit entsprechendem Kapital auszustatten: Die gemeinnützige Ege Kunst- und Kulturstiftung war ins Leben gerufen und trägt heute den Museumsbetrieb.
Leider ist mein Vater im Juni 2019 unerwartet verstorben. Für uns – und insbesondere für meine Mutter – brach eine Welt zusammen. Julia Galandi-Pascual und ihr Team war damals die rettende Stütze und führte den Ausstellungsbetrieb weiter. Meine Mutter und ich unterstützten sie dabei als neue Vorstände der Ege Kunst- und Kulturstiftung. Eine erste Maßnahme war, den bereits vorbereitet Markenrelaunch zur „Paul Ege Art Collection“ und zum „PEAC-Museum“ umzusetzen. Weitere spannende Ausstellungen folgten:
Im Garten der Farben
Nearby
Spurensuche
sowie Schwerpunktausstellungen mit Annette Merkenthaler, Thomas Kitzinger und Peter Tollens
Eine weitere, gemeinsame Maßnahme war, einen sachverständigen Beirat ins Leben zu rufen. Auch dies hatte mein Vater zu Lebzeiten schon vorgesehen. Hierfür konnten wir
Dr. Stefan Kraus, Leiter des Kolumba Museums in Köln
Rolf Hengesbach, Galerist aus Wuppertal und
Dr. Rüdiger Nolte, langjähriger Rektor der Musikhochschule Freiburg
gewinnen.
Alle drei Herren sind langjährige Begleiter des PEAC und insbesondere langjährige Begleiter meines Vaters. Meine Mutter und ich möchten Ihnen an dieser Stelle herzlich für Ihr hohes Engagement und die enge Verbundenheit danken.
Im September 2022 entschied sich Julia Galandi-Pascual, nach 18 Jahren neue Wege zu gehen. Der Stifter, Sammler, Entdecker, und kompetente Sparrings-Partner Paul Ege war für Sie nicht mehr da. Auch an dieser Stelle unseren herzlichen Dank für diese inspirierenden, erfüllenden und kreativen 18 Jahre, liebe Julia Galandi-Pascual.
Allen Unkenrufen zuwider war dies aber nicht das Ende des PEAC!
Mit Unterstützung des Beirats konnten wir die doch recht große Lücke kompetent füllen. Wir hatten einerseits Eveline Weber im Auge, bereits langjährige Kuratorin im PEAC, und konnten zusätzlich mit Lea Altner eine weitere erfahrene Kuratorin gewinnen. Beide Damen hatten, bzw. entwickelten eine so hohe Identifikation mit dem PEAC und der Sammlung, dass die Wahl einer der beiden Damen für die Museumsleitung äußerst schwierig wurde. Glücklicherweise harmonierten beide trotz ihrer Verschiedenheit so gut miteinander, dass von ihnen selbst der Vorschlag einer Doppelspitze kam.
Seit Februar 2023 wird nun das PEAC-Museum von Lea Altner und Eveline Weber als Co-Direktorinnen erfolgreich geführt. Es gelangen ihnen fantastische Ausstellungen wie:
Backspace mit Sebastian Dannenberg
Allerbeste Aussichten 2
Vom Geschmack eines Apfels
und diverse Schulkunstausstellungen und Performances.
Und natürlich die heute beginnende Jubiläumsausstellung „Zwischen weißen Wänden“! Für mich eine einzigartige und perfekt aus dem Fundus kuratierte Ausstellung, die uns noch lange begleiten wird. Danke und Gratulation hierfür, liebe Lea und liebe Eveline, die heute leider nicht dabei sein kann, weil sie sich im Mutterschutz befindet und vor einer Woche ihrer Tochter Pauline Eloise das Leben geschenkt hatte.
Doch nun ein Blick in die Zukunft. Wir wollen gemeinsam das PEAC auf den „next level“ bringen! Und hierfür haben wir eine Vision entwickelt:
Die Paul Ege Art Collection stellt heute europaweit eine der umfangreichsten Sammlungen im Bereich der Farbmalerei, ergänzt durch Arbeiten der Minimal Art und der Konzeptkunst dar. Es ist unser Ansporn, diese Sammlung nicht nur zu bewahren, sondern auch in immer wieder neuen Kontexten allen Interessierten zugänglich zu machen, lebendig zu halten und durch Neuankäufe weiterzuentwickeln. Die eigene Sammlung ist der Nukleus dieses Ausstellungsorts und damit ein Fundus für immer neue Themen und Fragestellungen. Dabei bilden intensive langfristige Beziehungen zu den Künstlerinnen und Künstlern der Sammlung wichtige Leitplanken der kuratorischen Arbeit. Es werden aber auch interdisziplinäre Ansätze und Kooperationen in Zukunft einen festen Bestandteil unseres Programms bilden. Wir wollen uns von anderen Ausstellungshäusern unterscheiden, die Bekanntheit der Sammlung und des PEAC-Museums auch international weiter ausbauen, sowie die Wahrnehmung durch das fachkundige Publikum erhöhen.
Auf den Nenner gebracht bedeutet das:
„Unser Ziel und unsere Vision ist es, einen Erfahrungsraum zu schaffen, in dem das Beziehungsgeflecht zwischen Werk, Raum und Betrachtenden eine besondere Rolle spielt, in dem Wahrnehmungsfähigkeit für das Selbst und die Welt geschärft wird.“
Mehr als 20 Jahre haben die Voraussetzungen dafür geschaffen, insbesondere durch den Sammler, Stifter, Mäzen und Entdecker Paul Ege. Unser Team, die beiden Co-Direktorinnen Lea Altner und Eveline Weber, die neu hinzugekommene kuratorische Assistenz Isabella Wild, sowie weitere Konstanten in unserem Team wie Johannes Kasperczyk, Susanne Bormann, Ulrike Brasch, Lena Reckord, Christine Lohmeyer und Renate Jaros sind mehr als motiviert, unsere Vision zu erreichen.
Herzlichen Dank Ihnen allen!
Aber auch Ihnen, liebe Freunde des PEAC-Museums, liebe Künstlerinnen und Künstler, herzlichen Dank für Ihre langjährige Interessiertheit, Neugier, Experimentierfreude und Treue, denn ohne Inhalt und Publikum wären wir nicht sichtbar!
Wer die letzten Jahren zusammengefasst aus kompetenter Feder lesen möchte, dem empfehle ich unseren großartigen Jubiläumsband und dort insbesondere die Seiten 149 bis 160 „Über Sichtbarkeitstatsachen“ von Lea Altner und Eveline. Für 30€ erhältlich. Und im Doppelpack mit dem ersten Jubiläumsband für 35€!
Bevor ich jedoch an unseren Bürgermeister für Kultur, Jugend und Soziales, Ulrich von Kirchbach übergebe, dem ich herzlich danken möchte, daß er sich wie so oft für Grußworte der Stadt Freiburg bereit erklärt hat, noch ein weiterer und ebenfalls herzlichen Dank an unser heutiges Quartett des fantastischen Freiburger Barockorchesters:
Peter Barci und Eva Borhi, Violine
Johannes Kofler Violoncello und
David Blunden Cembalo.